Prüfverfahren für Drahtbonds
Das DVS-Merkblatt 2811 ist seit 1996 ein fester Bestandteil bei der Prüfung von Drahtbondkontakten in der Mikroelektronik. Es wurde ursprünglich in der Arbeitsgruppe AG2.4 „Bonden” des DVS durch Dr. Rudolf (ehemals TU Dresden) und Prof. Lang (ehemals Fraunhofer IZM Berlin) initiiert und im Februar 2017 unter Koordination der Bond-IQ GmbH überarbeitet. Aufgrund immer weiter steigender Anforderungen an elektronische Baugruppen sowie neuer Technologien ist nun eine weitere Aktualisierung erforderlich.





































Ein Rückblick in die Geschichte der Drahtbondprüfung
Die Prüfung von Drahtbondkontakten ist ein zentraler Bestandteil der Qualitätskontrolle in der Halbleiterindustrie. Sie hat sich von einfachen visuellen Inspektionen zu hochspezialisierten, standardisierten Verfahren entwickelt, die heute mechanische, elektrische und visuelle Aspekte der Bondqualität abdecken.
In den Anfangsjahren beschränkte sich die Qualitätskontrolle auf visuelle Inspektionen und einfache mechanische Tests. Mit dem Aufkommen des Pulltests in den 1960er Jahren entstand eine erste systematische Methode zur Bewertung der Festigkeit einer Bondverbindung. Beim Pulltest wird ein Haken unter den Draht gelegt und in z-Richtung gezogen, bis die Verbindung reißt (destruktiv) oder eine definierte Kraft erreicht ist (nicht-destruktiv).
Anforderungen an die Prüfung von Drahtbonds
In den letzten Jahren haben sich die eingesetzten Materialien deutlich erweitert: Neben klassischen Golddrähten kommen heute zunehmend Silber, goldbeschichtetes Silber, Kupfer sowie palladium- (PCC) und goldbeschichtete (PCC+Au) Kupferdrähte zum Einsatz.
Auch Bi-Metall-Materialien, wie mit Aluminium ummantelter Kupferdraht oder einseitig aluminium-beschichtete Bändchen, gewinnen an Bedeutung. Der verstärkte Einsatz von Kupfer-Dickdraht für die Leistungselektronik erfordert eine Anpassung der Prüfmethoden, da Kupfer andere mechanische Eigenschaften als das zumeist eingesetzte Aluminium aufweist. Gleichzeitig steigen die Anforderungen an die Interpretation von Bruchbildern, da die Vielfalt der Materialien zu komplexeren Bruchmechanismen führt.
Höhere Zuverlässigkeitsanforderungen, insbesondere in sicherheitskritischen Anwendungen, machen eine verbesserte Kenntnis der Verbindungsqualität und der Ausbildung der Grenzflächen (Interfaces) unerlässlich. Nicht zuletzt müssen neue Prüfmethoden, die für diese modernen Materialien und Strukturen entwickelt wurden, im DVS 2811 beschrieben und normiert werden, um eine einheitliche und verlässliche Qualitätsbewertung sicherzustellen.
Aktuelle Publikationen

Mathematische Betrachtungen zum Pulltests und den Fehlern in den Formeln teilweise bereits sehr lange angewandter Prüfstandards.

Auf der IMAPS-Konferenz 2021 wurde eine kombinierte Methode zur Analyse der Grenzfläche von Dickdrahtbonds vorgestellt. Die Kombination aus BAMFIT und 3D-Bruchflächenmessung ermöglicht eine präzisere Bewertung der Verbindungsqualität. Ergänzend zur Scherprüfung wird die verbundene Fläche direkt gemessen. Vier Drahttypen wurden mittels DoE untersucht, um Prozessfenster und Bondverhalten zu vergleichen.

Im September 2024 wurde eine überarbeitete Fassung des JEDEC Standards für Pulltests veröffentlicht.
Aktualisierung 2025+
Trennung von Produktion und Prozessentwicklung
In der ersten Version des DVS 2811 wurde bei der Qualitätsbewertung zwischen Labor und Produktion unterschieden. Diese Unterscheidung wurde bei der Aktualisierung im Jahr 2017 aufgegeben. Es hat sich jedoch gezeigt, dass die sehr strengen Kriterien des DVS 2811 nicht für alle Produkte und Anwendungen geeignet sind. Zudem sind die Kriterien für sehr komplexe Prozesse nicht ausreichend.
Um hier an Flexibilität zu gewinnen, soll ein Kapitel die Prüfung in typischen Produktionsprozessen behandeln. Darin werden die gängigen Prüfverfahren so beschrieben, dass sie sich einfach und pragmatisch anwenden lassen.
Für die Prüfung im Rahmen einer Prozessoptimierung oder -qualifizierung und -freigabe werden detailliertere Prüfungen beschrieben und Empfehlungen für fortgeschrittene Strategien gegeben.
Visuelle und mechanische Prüfung von Dünn- und Dickdrahtbonds
Wie schon bei den vorherigen Versionen wird auch bei der Aktualisierung des DVS 2811 darauf geachtet, dass alle angegebenen Kenn- und Grenzwerte für mechanische Prüfungen materialabhängig sind. So werden beispielsweise bei weichen Drähten andere Pullkräfte gefordert als bei harten Drähten. Der Einfluss der Geometrie von Drähten und Kontakten wird dabei stets herausgerechnet. So werden Grenzwerte nicht in Kräften, sondern in Festigkeiten angegeben, um den Vergleich der Verbindungsqualität unterschiedlicher Drahtdurchmesser zu vereinfachen.
Zerstörende und nicht zerstörende Prüfverfahren werden getrennt voneinander aufgeführt. Die Anwendbarkeit und der Nutzen nicht zerstörender Verfahren werden diskutiert, um den Anwendern eine noch bessere Orientierung zu geben.
Die Bewertungskriterien und Grenzwerte orientieren sich an bestehenden Standards wie MIL-STD-883, ASTM und JEDEC. Das Ziel des DVS 2811 besteht darin, mindestens die Forderungen aller anderen Standards zu erfüllen und bei Bedarf strengere Prüfkriterien anzuwenden.
Das haben wir uns vorgenommen...
Es stehen einige Veränderungen an, die dafür sorgen werden, dass das DVS-Merkblatt 2811 sich noch weiter verbreitet und noch mehr Akzeptanz bei Anwendern und in Industriezweigen findet.
- Verbesserung der Verständlichkeit von Textpassagen und der Struktur des Dokuments
- Erleichterung des Zugangs zu den Inhalten und Vereinfachung der Anwendbarkeit
- Aufwertung von Bildbeispielen und Illustrationen
- Einbindung von Mikroskopaufnahmen als Ergänzung zu Schemazeichnungen
- Breitere Anwendung materialabhängiger Kennwerte und Grenzwerte für Pull- und Schertests
- Erweiterung bestehender Kapitel zum Dickdraht- und Dick-Bändchenbonden mit Hinweisen zur Verarbeitung von Kupferwerkstoffen
- Neue Kapitel zur Verarbeitung besonders großer Materialquerschnitte
- Stärkung der Sichtbarkeit bei europäischen und international agierenden Unternehmen
Teilnahmebedingung
Ein Prüfstandard ist nur so gut wie seine Inhalte, seine Aktualität, seine Verständlichkeit und wie praxisnah er sich anwenden lässt. Der Fortschritt bei der Überarbeitung des DVS-Merkblatt 2811 lebt von der Beteiligung, der Erfahrung und dem Input all derer, die sich daran beteiligen. Drahtbonden ist Erfahrung. Erfahrung, die festgehalten werden sollte.

Neuigkeiten
Auf der 73. Sitzung der AG-Bonden (LINK) haben sich einige der Teilnehmenden zusammengesetzt und erste Ideen für die Überarbeitung des DVS-Merkblatts entwickelt. Besonders wichtig erachten alle Beteiligsten dabei, die Anwendbarkeit und Verständlichkeit zu verbessern, Illustrationen und Bildbeispiele aufzuwerten, Cu-Dickdraht und -bändchen besser zu integrieren, besonders große Querschnitte einzubinden und europäische & internationale Sichtbarkeit zu stärken.
Alle Fortschritte bei der Überarbeitung des DVS-Merkblatts werden beim Online-Stammtisch zur Drahtbondtechnologie (LINK) kommuniziert, um Interessierte für die Mitarbeit zu gewinnen. Am 23. Juni wurde das Vorhaben vorgestellt.
Noch im Sommer 2025 werden sich alle Mitwirkenden für ein erstes Treffen online per MS-Teams zusammenfinden. Bond-IQ wird die Treffen koordinieren und die inhaltliche Struktur gestalten. Die Zusammenarbeit erfolgt an geteilten Dokumenten, so dass ohne E-Mail Ping-Pong schnell und effizient eine Überarbeitung vorangebracht werden kann.